Sakrale Kunst des Bodenseeraums und die Oberschwäbische Barockstraße
Basilika Birnau, das 'Barockjuwel am Bodensee' | Auf sakraler Entdeckungstour rund um den BodenseeDie reformatorischen Bilderstürme im 16. Jhd. und die Säkularisierung im 19. Jhd. hatten für den Bestand der sakralen Kunst gravierende Folgen. Dennoch blieben rund um den Bodensee eine Vielfalt an Kirchenschätzen erhalten, die jährlich viele Besucher aus aller Welt anziehen. Genannt sei hier etwa das berühmte Bild Lindauer Beweinung, das zu den bedeutendsten Bildern der Bodensee-schwäbischen Malerei zählt, oder die Skulpturen des barocken Bildhauers Joseph Anton Feuchtmayer, dessen Werke zahlreiche Kirchen und Schlösser am Bodensee schmücken. Selbst im Madrider Prado sind Bilder Bodenseeschwäbischer Maler zu finden. |
Die sakrale Kunst des Bodenseeraums und die Oberschwäbische Barockstraße führen uns auf die Spuren alter Meister und ihrer Werke. Oft waren es Künstler und Baumeister, die lokal gewirkt haben, somit einen eigenen Stil schufen und Künstler- und Baumeisterdynastien begründeten, wie etwa die der Feuchtmayer, Schmuzer, Bagnato, Thumb und Beer.
Unser Tourenvorschlag:
Wir starten in Konstanz, der ehemaligen Bischofsstadt. Mit einer Stadtführung zum Thema Konstanz und seine Kirchen und Klöster und mit dem Besuch des Konstanzer Münsters, der Stefanskirche, der Augustinerkirche sowie der barocken Christuskirche stimmen wir uns auf unsere Tour ein.
Danach geht es auf die Insel Reichenau. Die Insel gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO, bietet eine reichhaltige Geschichte als kulturelle Wiege des Abendlandes und den sehr lohnenswerten Besuch von 3 Kirchen, darunter das Münster und ehemalige Klosterkirche St. Maria und Markus mit seiner berühmten Schatzkammer und der romanischen Kirche St. Georg. Empfehlenswert ist die Kombination mit dem Besuch des Museums Reichenau und dem kleinen Museum zur Baugeschichte der Kirche St. Georg.
Weiter geht es nach Überlingen. In der ehemaligen Reichsstadt steht mit dem St. Nikolaus geweihten Münster der größte spätgotische Kirchenbau des Bodenseeraums. Der Schnitzaltar des Meisters Jörg Zürn aus dem frühen 17. Jhd. ist ein Meisterwerk des deutschen Manierismus.
Mit der Basilika Birnau (bei Uhldingen-Mühlhofen) wurde im 18. Jhd. innerhalb von nur 3 Jahren Bauzeit unter dem Vorarlberger Baumeister Peter Thumb das 'Barockjuwel vom Bodensee" geschaffen. Die Zisterzienserkirche, die auch als Pfarrkirche genutzt wird, zeigt berühmte Skulpturen, wie etwa den 'Honigschlecker' von Joseph Anton Feuchtmayer, der als eine Allegorie auf Bernhard von Clairvaux gilt, dem Gründer des Zisterzienserordens.
In Salem, von der Birnau aus nur wenige Fahrminuten entfernt, lohnt der Besuch des Zisterzienserklosters, der ehemals reichsten Abtei am Bodensee, und des Schlosses, ehemals Wohnsitz der Grafen von Baden.
Das Salemer Münster mit seinen Grundmauern aus dem 13. Jhd. bildet eine Verbindung zwischen Mittelalter und Barock und beeindruckt durch seine schlichte und gleichzeitig großzügige Architektur, seine barocke Innenausstattung aus Alabaster, hellen Farben und Gold und seine imposante Orgelanlage. Im klostereigenen Museum kann der 1507 von Bernhard Strigel geschaffene Marienaltar bewundert werden. Ein Altarflügel zeigt die Geburt Christi, eine Darstellung, die als das erste Nachtbild in der deutschen Malerei gilt: wie in der niederländischen Schule geht das Licht vom Jesuskind aus und erhellt die umstehenden Figuren.
Wanderfreunde können die Strecke zwischen der Basilika Birnau und dem Kloster und Schloss Salem auf dem Prälatenweg zu Fuß zurückgelegen. Auf knapp 4 km geht es durch eine sehr reizvolle und von Wein-, Obst- und Ackerbau sowie Fischteichen der Zisterziensermönche geprägte Landschaft. Der Weg führt vorbei an einem Hofgut mit Storchenkolonie und am Salemer Affenberg mit seinen dort freilebenden Berberaffen.
In Meersburg lohnt ein Rundgang durch die pittoreske mittelalterliche Altstadt sowie ein Besuch des vom Baumeister Franz Anton Bagnato erbauten Barockschlosses, der Residenz der Konstanzer Fürstbischöfe. Von der höchstgelegensten Terrasse des Bodensees aus genießt man einen herrlichen Blick über den Bodensee bis hin zu den Alpen und kann gut nachvollziehen, weshalb die Bischöfe im 16. Jhd. nicht nur aus politisch-konfessionellen Gründen ihr Domizil von Konstanz nach Meersburg verlegten…
Die nächste Station liegt an der Oberschwäbischen Barockstraße: die beeindruckende Barockbasilika St. Martin und Oswald in Weingarten bei Ravensburg ist das größte barocke Kirchenbauwerk in Deutschland und nördlich der Alpen und mit ihren Maßen genau halb so groß wie die Peterskirche in Rom. Die in der Kirche aufbewahrte Heilig-Blut-Reliquie ist Gegenstand religiöser Verehrung in ganz Oberschwaben und steht im Mittelpunkt einer der größten Reiterprozessionen Europas, des jährlich stattfindenden Weingarter Blutrittes.
Unsere sakrale Kunstreise führt uns weiter nach Lindau, die als einzige Stadt am deutschen Bodenseeufer nach der Reformation überwiegend evangelisch geblieben ist, und die mitten in der Stadt in direkter Nachbarschaft gleich 2 sehenswerte Kirchen aufweist: das barocke katholische Münster Unserer Lieben Frau und ihre evangelische Schwesterkirche St. Stefan, deren Grundmauern ins 12. Jhd. zurückreichen und deren Kirchenbänke eine erstaunliche Besonderheit bieten. Ein kleines Highlight ist ein Besuch der aus dem 10. Jhd. stammende Peterskirche, einer der ältesten Kirchen am Bodensee, mit noch erhaltenen frühgotischen Rötelzeichnungen und spätgotischen Fresken, welche möglicherweise von Hans Holbein d.Ä. stammen.
In Lindau steht weiterhin der Besuch des städtischen Kunstmuseums, dem Haus zum Cavazzen, auf dem Programm, mit dem berühmten Bild der Lindauer Beweinung.
Auf der österreichischen Bodenseeseite, in Bregenz, der Landeshauptstadt des Vorarlbergs, lädt die Seekapelle zum Besuch. Die kleine gotische Kirche wurde im 15. Jhd. zur Erinnerung an den Sieg über die aufständischen Appenzeller Bauern im Appenzellerkrieg von der Stadt Bregenz gestiftet und befand sich damals direkt am Bodenseeufer. Nur wenige Schritte entfernt, in der Nachbarschaft des berühmten Bregenzer Kunsthauses (entworfen und gebaut vom mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Schweizer Architekten Peter Zumthor), liegt die St. Nepomuk-Kapelle. Die kleine, aber feine Barockkapelle wurde zum Dank für eine Seenot-Errettung aus dem Bodensee als Grabkapelle gestiftet.
Steil hinauf geht es schließlich noch in die Bregenzer Oberstadt, zum Martinsturm mit seinem imposanten Zwiebeldach, einem Wahrzeichen von Bregenz. Zwar wurde der Turm ursprünglich als Wohnturm und Getreidespeicher errichtet, im 15. Jhd. aber das Erdgeschoss als Kapelle umgestaltet und die heute noch vorhandene Sakramentsnische geschaffen. Der Martinsturm bietet Superlative: er gilt als das erste barocke Bauwerk am Bodensee und die Kuppel als die größte Turmzwiebel Mitteleuropas. Von ganz oben hat man einen 360°-Rundblick über die Stadt Bregenz, gelegen zwischen Bodensee und Voralpen.
Ein weiterer und ganz profaner Superlativ begegnet uns schließlich noch auf dem Weg zurück in die Bregenzer Unterstadt: in der Kirchstraße steht mit einer Fassadenbreite von lediglich 57 cm das schmalste Haus Europas.
Übrigens bietet gerade das österreichische Bundesland Vorarlberg eine Fülle von architektonischen Schmankerl, die wir Ihnen gerne auf unserer 'Architek-Tour' näher bringen!
Der Weg führt weiter ins schweizerische Arbon und zur kleinen Galluskapelle in der Nähe des Bodenseeufers. Der Überlieferung nach verbrachte der Heilige Gallus einige Lebensjahre in Arbon und starb auch hier im hohen Alter von 95 Jahren. An seinem Sterbeort wurde später die Galluskapelle errichtet, welche ihr Kleinod ausnahmsweise nicht inner- sondern außerhalb ihrer Mauern zeigt: einen Fußabdruck des Heiligen Gallus.
Ein Stopp in Romanshorn gibt Gelegenheit, eine der ältesten Kirchen der Bodenseeregion zu besuchen, die den Patronen St. Gallus und Johannes geweiht ist und deren Grundmauern bereits aus dem 8. Jhd. stammen. Die Kirche zeigt ottonische Fresken, die auf die Reichenauer Malschule verweisen.
Nicht fehlen darf auf unserer Tour der Besuch im schweizerischen St. Gallen. Die Stadt ist die Heimatstadt des Reformators Joachim Vadian und reformatorisch geprägt. Inmitten der Stadt befindet sich, quasi als Enklave, der katholische Stiftsbezirk mit der barocken Stiftskirche des Benediktinerordens, welche an die im 7. Jhd. gegründete Einsiedlerzelle des Heiligen Gallus erinnern soll. Die berühmte barocke Stiftsbibliothek liegt gleich nebenan und ist die einzige der großen Klosterbibliotheken des Frühmittelalters, deren hervorragender Bestand seit dem 8. Jahrhundert einigermaßen intakt erhalten geblieben ist. Sie besitzt 2.100 Handschriften, 1.650 Inkunabeln und weitere Frühdrucke (gedruckt bis 1520) sowie etwa 160.000 Bücher und zählt wegen seiner literarischen und architektonischen Ausstattung zum UNESCO-Weltkulturerbe.
In Schaffhausen gibt es nicht nur den mächtigen Rheinfall zu bestaunen, sondern ebenso eine Vielfalt an sakraler Kunst, etwa im Museum zu Allerheiligen, mit Gemälden, Skulpturen und Plastiken vom 15. Jhd. bis zur Gegenwart.
In Stein am Rhein schließlich lohnt die Besichtigung des ehemaligen Klosters St. Georg. Die frühere Benediktinerabtei wurde im frühen 11. Jhd. gegründet, die gut erhaltenen Klostergebäude entstanden überwiegend im 12. und 13. Jhd. im gotischen Stil, mit einem prächtigen Festsaal aus der Renaissance. Es ist eine der am besten erhaltenen Klosteranlagen der Schweiz. Seine wechselvolle Geschichte wird im heute darin befindlichen Museum dargestellt. Gleich nebenan befindet sich die evangelische Pfarrkirche. Der kunst- und humorvoll gestaltete Türgriff zeigt die 12 Apostel, von denen einer buchstäblich aus der Reihe tanzt...
Zurück nach Konstanz führt der Weg durch den kleinen Ort Kattenhorn, gelegen auf der Halbinsel Höri. In der evangelischen Petruskirche zeigen die Fenster Erzählungen des Apostels Petrus; sie sind eines der größten Werke des Malers Otto Dix, der ab 1933 bis zu seinem Tod 1969 auf der Höri lebte. Zweifelsfrei kann sakrale Kunst auch modern sein!
Letzte Station unserer Tour ist die Gemeinde Horn an der Spitze der Halbinsel Höri. Die Pfarrkirche St. Johann liegt hoch an imposanter Stelle und ist weithin sichtbar. Ebenso genießt man einen phantastischen Rundblick über den Bodensee vom Vorplatz der Kirche aus. Großherzog Friedrich I. von Baden fand offensichtlich ebenfalls großen Gefallen an dieser exponierten Lage, denn er soll gesagt haben: "Wenn ich nicht Großherzog von Baden wäre, wollte ich Pfarrer von Horn sein."
Dauer der sakralen Entdeckungstour: Aufgrund der kulturhistorischen Bedeutung der Region mit zahlreichen romanischen und barocken Kirchenbauten sollte die gesamte Tour auf mindestens 2 Tage ausgedehnt werden. Wenn Sie nicht so viel Zeit haben, kann die Tour selbstverständlich gekürzt werden.
Die Tour kann im eigenen Reisebus durchgeführt werden, sie kann aber auch ausschließlich mittels öffentlicher Verkehrsmittel wie Bus, Bahn und Schiff und/oder mit dem Fahrrad unternommen werden. Dann sollten Sie jedoch mindestens 3 Tage dafür einplanen.
Lindauer Beweinung | Basilika Birnau, Innenraum | Chorfresko in der Basilika Weingarten |
Das Haus zum Cavazzen, Städtisches Museum Lindau
(derzeit wegen Renovierung geschlossen)